Von Max Kowalske
Zur kulturellen Förderung besuchte die Klassenstufe 13 unter der Leitung von Frau Banz und Frau Rudloff im Rahmen des Deutschunterrichts am 28. September 2021 das Staatstheater in Meiningen, um sich eine moderne Adaption der 1915 erschienenen Erzählung „Die Verwandlung“ von dem exzentrischen Autor Franz Kafka anzusehen.
Die Handlung des aus der Epoche des Expressionismus stammenden Werkes um Gregor Samsa, der eines Morgens als ungeheures Ungeziefer erwacht und im Laufe von drei Monaten vollends von seinen Mitmenschen verstoßen wird, sodass er schlussendlich als kachektische und vereinsamte Gestalt aus dem Leben scheidet, sollte den meisten bekannt sein. Kafkas bekanntestes Werk ist speziell, gleichzeitig aber auch immersiv und sehr bedeutungsschwanger. Eine mögliche Interpretation des Stoffes bietet nun auch das Theater in Meiningen mit Yannick Fischer, der eine One-Man-Show darbietet und somit gleichzeitig ein multiples Schauspiel präsentiert. Die Adaption ist en vogue, wenngleich sie der Vorlage zu großen Teilen gerecht wird und sich an die dreiteilige Erzählstruktur des Ursprungswerkes hält. Beispielsweise wird die Retina der Rezipienten mit Musical-Einlagen geschmückt, welche in blaues Licht getaucht sind. Dieses blaue Licht und auch der kleine Retro-Fernseher auf der Spielfläche soll als eine Art Spiegel für die gegenwärtige Bildschirm-Gesellschaft dienen und eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsumverhalten herausfordern; so wurde es zumindest in der Nachbesprechung mit dem Hauptdarsteller und der Regisseurin kommuniziert. Wie man sieht, ist Kafkas Werk auch nach über einem Jahrhundert noch nicht vollständig ergründet, sodass selbst im 21. Jahrhundert noch weitere Impressionen entstehen können, welche wiederum für neue Deutungshypothesen nützlich sind – dies zeigt die Meininger Interpretation recht gut. Und trotz dessen bleibt die Figur Gregor Samsa sowie der Mensch im Allgemeinen verschlüsselt wie die Schriften Kafkas.
Eine ähnliche Auffassung teilt auch die Dramaturgin des Stücks, die den kulturträchtigen Tag mit ein paar allgemeinen Worten über Franz Kafka und die Intention hinter dem Theaterstück eingeleitet hat. Nachdem das Stück aufgeführt und die erhellende Fragerunde mit Darsteller und Regisseurin beendet war, stand eine Führung durch das imposante Theater an, welches 1831 eröffnet und 1866 von Georg II. übernommen wurde. Es wurden mit Blattgold verzierte Säle, hohe Zuschauerränge, die mitunter den Vertigo-Effekt hervorrufen konnten und prall gefüllte Requisitenkeller durchlaufen. Das Beschreiten des Theaters wurde parallel dazu mit mannigfaltigen Informationen ausstaffiert. Diese Informationen lassen sich prägnant zusammenfassen, indem man festhält, dass Georg II. eine Erneuerung der darstellenden Kunst anstrebte, welche vorrangig die philosophischen, dramaturgischen, dekorativen und schauspielerischen Elemente vereinen sollte, sodass am Ende ein Gesamtkunstwerk resultieren konnte, welches durch detailgetreue historische Ausstattung und wirklichkeitsnahe Spielweise zu überzeugen wusste. Ergebnisse der Vision von Georg II., der nach Übernahme des Theaters ein festes Schauspielensemble gebildet und die Oper abgeschafft hat, waren spannende Inszenierungen, die bis heute andauern.
Der Theaterbesuch hat es aufgrund seiner Vielfältigkeit also geschafft, weiteres kulturelles und literaturgeschichtliches Wissen in den Gehirnen der Jahrgangstufe 13 zu manifestieren. Oder um Schillers Worte zu paraphrasieren, begreifen wir die Schaubühne nun allmählich mehr als moralische Anstalt, die, ähnlich wie der kleine Fernseher, als Spiegel der Gesellschaft dient und uns Toleranz gegenüber anderen Religionen und Meinungen lehren kann sowie Ideen sichtbar machen kann, sodass wir im Umkehrschluss nicht mehr nur schauen, sondern sehen.